zurück
Zucker - Wie verwenden wir diese Energie zum Denken?
Erich Stoll und
Eveline Breidenstein
Jährlicher Zuckerkonsum pro Person
"Kohlenhydrate"
Die Energie aus der Sonne erreicht uns als Wärme und Licht. In den Blättern
der Pflanzen spaltet dieses Licht das als Treibhausgas bekannte Kohlendioxid
oder Kohlensäuregas. Der Sauerstoff, der dabei entsteht, wird in die Luft
zurückgegeben. Der Kohlenstoff als Energieträger und Baumaterial der Pflanze
wird chemisch mit Wasser verbunden. Damit wird er wasserlöslich und kann durch
unzählige feine Röhrchen und Poren überall hingeleitet werden, zu den Früchten
und zu den Wurzeln.
Die einfachste chemische Verbindung, die so gebildet wird, besteht aus sechs
Kohlenstoff- und sechs Wasserteilchen. Darum wird sie auch "Kohlehydrat"
(wasserhaltige Kohle) genannt. Die wichtigsten Vertreter davon sind die
Zucker. Ihre Eigenschaften hängen jedoch sehr davon ab, wie die einzelnen
Kohlestoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffteilchen räumlich angeordnet sind.
So unterscheiden sich Frucht- und Traubenzucker nur durch diese verschiedene
räumliche Anordnung. Je eine Frucht- und Traubenzuckereinheit kann zu einem
Rohr- oder gleichwertigen Rübenzuckerteilchen vereinigt werden.
Energiespeicherung
Für die Energiespeicherung in Samen und Knollen, die längere Zeit überdauern
sollte, ist der leichtlösliche Zucker nicht geeignet. Deshalb werden mehrere
Zuckerteilchen zu langen Strängen verbunden. Je nach der räumlichen Anordnung
entsteht die Stärke, die relativ leicht wieder in Zucker umgewandelt werden
kann, oder die Zellulose (in Pflanzen) oder Chitin (bei Insekten) [1]. Diese
verdrillten Stränge können nur noch durch bestimmte chemische Stoffe von
Bakterien und Pilzen wieder zu Zucker gespalten und verbraucht werden. Damit
Pflanzenfresser die Zellulose auch verwenden können, sind in ihren Därmen
Bakterien angesiedelt, die für sie diese Spaltung vornehmen können.
Aufnahme im Körper
Die Kohlenhydrate spenden uns [neben den Fetten und Eiweissen] die Energie,
die unsere Muskeln in Kraft und Arbeit umsetzen, die wir als Wärme an unsere
Umgebung abgeben und die im Gehirn und in den Nervenzellen Denkprozesse
möglich macht. Die wichtigsten Energieträger sind neben den Kohlehydraten die
Fette, während die Eiweisstoffe oder Proteine in erster Linie für Körperaufbau
und -Erneuerung benötigt werden. Nur bei einem Eiweissüberangebot und
gleichzeitigem Kohlehydrat- und Fettmangel wird auch ihre Energie vom Körper
genutzt d.h. Eiweiss abgebaut! Das Gehirn kann nur (Blut)zucker (Glucose) als
Energielieferant verwerten.
Da die verschiedenen Zucker wasserlöslich sind, können Frucht- und
Traubenzucker direkt ins Blut gehen. Aber auch die Rohr- und Rübenzucker,
sowie die beim Backen aus Stärke entstehenden Dextrine werden sehr schnell
aufgespalten und verdaut. Stärke muss zuerst durch Speichel oder Bauchspeichel
aus der Pankreasdrüse aufgeschlossen werden. Die Zellulose dagegen ist für uns
nicht verdaubar, dient aber als wichtiger Balaststoff dazu, den Darm anzuregen
d.h. die Speisen gut weiterzubefördern, sowie als Nahrung für die Colibakterien
im Dickdarm.
Blutzuckerspiegel
Unser Körper benötigt den Energielieferanten Zucker ohne Unterbruch und
muss deshalb je nach Bedarf in genügender Menge zur Verfügung stehen.
In Stresssituationen setzen die Muskeln mehr Energie um, und auch das Gehirn
muss Spitzenleistungen erbringen. Ist der Stress jedoch so gross, dass das
Ueberleben nur noch von der allergrössten Muskelleistung abhängt, werden die
Leistungen des Grosshirns reduziert (man rennt "kopflos", nur noch
instinktgemäss). Auf der anderen Seite nehmen wir unsere
Nahrung nur in bestimmten Abständen, nämlich zu den Essenszeiten, zu uns. Dies
bedeutet, dass ohne Regulierung unmittelbar nach dem Essen die
Zuckerkonzentration im Blut steil ansteigen kann, um danach sehr stark
abzufallen [2]. Da eine zu hohe Blutzuckerkonzentration auf die Dauer wie
ein Gift wirkt (wie bei Zuckerkranken), eignet sich das Blut nicht zur
Zuckerspeicherung. Der noch nicht benötigte Zucker wird deshalb als stärkeartiges
Produkt (Glykogen) in der Leber gespeichert, um bei Bedarf in Zucker
zurückverwandelt zu werden. Für diesen Speichervorgang ist Insulin notwendig,
das in den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet wird, sobald
die Zuckerkonzentration
höher als für den Körper optimal ist. Andererseits wird bei Stress zur
Rückverwandlung der Vorräte in der Leber zu Zucker Adrenalin freigesetzt.
Ohne Stress genügt dazu Glucagon, der hormonelle Gegenspieler des Insulins.
Diese Vorgänge werden in unserem Körper mit einer grossen Zahl von
Regulationssystemen und Hormonen gesteuert, was ein komplexes Gefüge von
gegenseitig abhängigen Organen und Drüsen nötig macht. Dieses System hat sich
bei unseren Urahnen sehr langsam und sorgfältig über viele Generationen an
die damalige Umwelt (mit natürlicher Nahrung) angepasst.
Zuckerkonsum des modernen Menschen
Mit der landwirtschaftlichen und grosstechnischen Zuckergewinnung und
Verarbeitung haben wir uns sehr weit von diesem natürlichen Zustand entfernt.
In der Schweiz beträgt der Zuckerkonsum im Jahr 2000 über 50 kg pro Kopf
und Jahr. Vor 50 Jahren waren es noch 4 kg/Kopf/Jahr.
Die Rüben wurden kultiviert. Mit den technischen Verfahren in den
Zuckerfabriken werden alle Begleitstoffe des Zuckers in der Rübe, mit deren
Hilfe unser Körper gelernt hat, den Zucker zu nutzen, d.h. unseren
Stoffwechsel anzupassen, entfernt. Dies sind die pflanzlichen Säuren, die
Eiweisstoffe, die Ballaststoffe, die Vitamine und die Spurenelemente, um
nur die Wichtigsten zu nennen. Weiter ist es nicht möglich, viel Zucker
in Form von rohen Rüben zu essen, da diese schon nach relativ kurzem Genuss
nicht mehr sehr gut schmecken! Anders bei zuckerhaltigen Speisen: Der
Zuckergehalt ist hier sehr viel höher. Hier gibt erst die Fülle des Magens
das Signal, mit dem Genuss aufzuhören. Deshalb ist es einfach, sehr viel mehr
Zucker zu sich zu nehmen, als für unser Wohlbefinden nötig und zuträglich
ist. Weil Trauben- und auch Rüben- und Rohrzucker nach dem Genuss sehr rasch
ins Blut übergehen [1] und die natürlichen Begleitstoffe zu ihrem Abbau
fehlen, werden die Regelsysteme sehr stark beansprucht.
Zu tiefer Blutzuckerspiegel nach Zuckergenuss!
Dieser Stress, den
stoffwechselrobuste Menschen scheinbar lange ohne nennenswerte Störungen
verkraften können, kann bei stoffwechselempfindlichen Menschen sichtbar
werden: Die Inselzellen in der Pankreasdrüse reagieren überreizt und
produzieren nach Schuitemaker [2] und Blaurock-Busch [3] mehr Insulin als
nötig ist, so dass die Zuckerkonzentration im Blut rasch absinkt, manchmal
sogar tiefer als vor der Nahrungsaufnahme am Morgen. [Auch Süssstoff kann
das Stoffwechselsystem derart aufpeitschen].
Tiefe Blutzuckerwerte ("Unterzuckerung") zusammen mit dem Mangel an
notwendigen Begleitstoffen, die bei der Zuckerverarbeitung entfernt wurden,
erzeugen ein Hungergefühl, so dass die Versuchung gross ist, kurz nach einer
Hauptmahlzeit weitere (süsse) Speisen zu geniessen. Dies führt zu einem
Teufelskreis: Uebermässiger Zuckerkonsum ohne die wichtigen Begleitstoffe,
rasches Ansteigen der Konzentration des Zuckers im Blut, zu viel Insulin,
Hungergefühl, Unbefriedigtsein, "Heisshunger" und neuer suchtartiger
Zuckergenuss. Wenn dieses Verlangen sich auch meistens nicht auf andere
Suchtmittel wie Alkohol oder Drogen ausweitet, sind die Folgen trotzdem
sehr unangenehm:
Unterzuckerung und Hirnleistung
Bei sinkender Blutzuckerkonzentration im Gehirn verringert sich die allgemeine
Leistungsfähigkeit. Im Gegensatz zum übrigen Körper ernähren sich die
Hirnzellen nur von Glukose (Blutzucker). Nur wenige Stoffe durchdringen die
gesunde Bluthirnschranke: [1] so Zucker, Wasser, Sauerstoff (und
Kohlesäuregas als Abbauprodukt), Insulin, gelöste Salze und Hormone (die
sogenannten Neurotransmitter), aber keine Fette. Im Gehirn ist Zucker der
wichtigste Energielieferant. Wie bei Sauerstoffmangel, Giftstoffen (Alkohol),
unausgeglichenem Säure-/Basegleichgewicht, falscher Zusammensetzung der
gelösten Salze (zuviel gelöstes Kochsalz und Mangel an Kalium-, Magnesium-
und Kalziumsalzen), Wassermangel (Durst), kann auch Zuckermangel
die Grosshirnleistung sehr stark reduzieren. Je nach Konstitution ist die
Folge davon Schläfrigkeit, Mattheit, Unwohlsein (bis hin zur Ohnmacht), oder
auch Verstimmtheit, Unausgeglichenheit, Unaufmerksamkeit und
Konzentrationsschwäche; bei Kindern auch Unkontrolliertheit und Aggression.
Der weggespeicherte und nicht zurückgeholte Zucker erschöpft mit der Zeit
alle Speicherungsmöglichkeiten in der Leber. Daher wird der nicht gerade
verwendete Zucker auch in Fett umgewandelt. Ausser dem nicht gerade
vorteilhaften Aussehen überbeansprucht die vergrösserte Körpermasse sämtliche
Organsysteme (z.B. Herz-Kreislauf, Nieren).
Zuckerkrankheit
Mit der Körpergewichtszunahme sinkt die Ansprechbarkeit der
Insulinrezeptoren in den Zellen. Um den Blutzuckerspiegel doch noch auf
akzeptable Werte senken zu können, werden immer grössere Mengen
Insulin benötigt. Trotzdem ist der Blutzuckerspiegel zu hoch und
Zuckerkrankheit (Diabetes) tritt auf, mit dem ersten Symptom eines erhöten
Durstgefühls. Bei der beschriebenen Form (= Typ II) der Zuckerkrankheit
ist der Insulinmangel also zu Beginn nur relativ; d.h. es zirkuliert Insulin im Blut,
aber zuwenig, um den Bluzuckerspiegel richtig zu kontrollieren. Erst nach
Jahren erschöpft sich die Insulinproduktion und es zeigen sich die
Symptome der Typ I-Diabetes. Dieser entsteht durch langanhaltenden Stress
des Stoffwechsels und der Abwehrsysteme. Greift ein fehlgeleitetes
Immunsystem, z.B. als Folge einer Milchunverträglichkeit, die Inselzellen
in der Bauchspeicheldrüse an, entsteht die Zuckerkrankheit Typ I, die schon
im Jugendalter auftreten kann. Die Folgen davon sind:
Muskelschwund, Acetonproduktion, Abmagerung, Uebersäuerung des Blutes mit
Atemnot und tiefer Bewusstlosigkeit, die zum Tode führen kann.
Bei langandauernd erhöhtem Blutzuckerspiegel (bei Typ I und Typ II Diabetes)
sind die Schäden durch die "Giftwirkung" des erhöhten Blutzuckers auf die
Gefässe schleichend: Nieren-, Netzhaut-, Nerven und Gefässschäden mit erhöhtem
Risiko für Herzkreislauf-Krankheiten, wie Bluthochdruck und Herzinfarkt. Um
diese Symptome zu vehindern, wird der Blutzuckerspiegel medikamentös
gesenkt (beim Typ I mit Insulin, beim Typ II mit Tabletten)
und der Körper mit einer natürlichen Schonkost unterstützt:
raffinierte Zucker, Weissmehle und andere denaturierte Nahrungsmittel sind
zu meiden und die Einnahme aller Kohlehydrate ist zu kontrollieren. Beim
Typ-II-Diabetiker kann sich bei dieser Diät der Medikamentenbedarf auf einem
niedrigen Wert einpendeln und oft eine medikamentöse Therapie erübrigen,
wenn das Körpergewicht gesenkt wird.
Gesunde Ernährung und Zuckerverdauung
Damit der Körper den Zucker richtig verdauen, speichern, bei Bedarf
verfügbar machen und in Arbeit umsetzen kann, braucht er die Stoffe, die
bei der Veredelung der Rüben und des Getreides d.h. der Raffinierung des
Zuckers oder beim Ausmahlen der blütenweissen Mehle verlorengegangen sind:
z.B. verschiedene Vitamine und Spurenelemente. Darunter fallen Vitamin C
sowie solche aus dem B-Komplex und die Mineralien Kalzium, Magnesium, Zink,
Chrom, Mangan und Phosphor [4]. Diese Mängel können noch durch eine Entzündung
der Darmschleimhaut verschlimmert werden [5]: Sie verschliesst sich für die
Aufnahme der nützlichen Stoffe, lässt aber Gifte wie Quecksilber,
Aluminium, Blei, etc. sowie
Allergie erzeugende Eiweisstoffe vermehrt durch. So können die notwendigen
Vitamine und Mineralstoffe auch bei an und für sich genügender Zufuhr nur sehr
schlecht resorbiert werden.
Um den Körper gleichmässig mit genügend Zucker zu versorgen, muss deshalb der
Genuss von Produkten aus raffiniertem Zucker und ausgemahlenen, weissen Mehlen
stark eingeschränkt werden, da diese vor allem die Insulinproduktion anregen
und dem Körper die Vitamine und Spurenelemente rauben. Da die vom Körper
aufgenommene Menge bei der Verdauung sehr stark von den Begleitstoffen
abhängt, ist es wenig sinnvoll, mit Nährstofftabellen und der Küchenwaage
das Zuckerproblem lösen zu wollen. Wir müssen uns vielmehr daran gewöhnen,
dass der Stoffwechsel an die unverarbeiteten Produkte, die in der Natur
vorkommen, angepasst ist. Deshalb sollten wir unseren Kohlehydratbedarf mit
möglichst unverarbeiteten Früchten und Gemüsen decken. Dabei ist es
unerlässlich, dass die Früchte naturbelassen, roh und ungezuckert gegessen
werden. Vielleicht zeigt sich, dass die Mengen, die man essen kann, zuerst nur
gering sind. Dies ist nicht weiter beunruhigend, zeigt es doch nur, dass wir
mit zu vielen konzentrierten Kohlehydraten übersättigt sind. Nach relativ kurzer
Zeit spielt sich das Gleichgewicht wieder ein und der Körper verlangt die
Menge an natürlichen Zuckerarten, die er benötigt und die er mit den in den
Naturprodukten verhandenen Begleitstoffen auch problemlos verdauen kann.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Eine ausreichende Kohlehydratversorgung
ist für die Energieversorgung des Körpers und für korrekte und ausgeglichene
Hirnfunktionen unerlässlich. Raffinierte Zucker und ausgemahlene Mehle,
welche keine Spurenelemente und natürliche Vitamine mehr enthalten, können
den Zuckerstoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringen, so dass z.B. die
Blutzuckerkonzentration zwischen den Mahlzeiten bis unter den
Nüchternheitswert abfällt und eine Unterzuckerung entstehen kann, die auch die
Hirnfunktion beeinträchtigt. Auch nimmt die Neigung zur Fettleibigkeit zu, und
es besteht die Gefahr eines Altersdiabetes (Zuckerkrankheit Typ II). Ferner ist die
Vitamin- und Spurenelementversorgung gefährdet. Deshalb sind möglichst
naturnahe und schonend behandelte Nahrungsmittel, die Kohlehydrate enthalten,
vorzuziehen, vor allem ungekochte, ungezuckerte und unverarbeitete Früchte.
Weiter könnte mit einer Zugabe von Vitaminen und Spurenelementen, die
aufnehmbar sind, dem Stoffwechsel zusätzlich geholfen werden.
Dr. sc. nat. Erich Stoll email:
estoll@gmx.ch
Dr. med. Eveline Breidenstein
Literatur:
[1] Eugen Ziegler, "Zucker, die süsse Droge", Birkhäuser, Basel 1987
[2] G.E. Schuitemaker, "Orthomolekulare Ernährungsstoffe", Verlag für
Orthomolekulare Medizin, D-Freiburg, 1986
[3] E. Blaurock-Busch, "Heilende Nährstoffe", Biologischer Forschungs- und
Arbeitskreis, D-Hersbruck, 1985
[4] Carl C. Pfeiffer, "Nährstoff-Therapie bei psychischen Störungen" Karl. F.
Haug Verlag, D-Heidelberg, 1986
[5] S. Flade, "Diätische Behandlung hyperkinetischer Kinder und
Jugendlicher", Vortrag am 1. Symposium des Arbeitskreises überaktives
Kind, Kassel, 10.6.89
zurück zur
Seite Susanna Stoll
25. September 2000, E. Stoll email: estoll@gmx.ch