Was essen, wenn das Lernen schwierig ist?

 

Vortrag vom 12.5.07, Merkmal Schule Baden

 

Mechanismus der Zusammenhänge Nahrung und Gehirnfunktion / Verhalten

Die Nahrung „betritt“ unseren Körper über den Darm und dort werden bereits erste Informationen über Menge, Zusammensetzung und Verträglichkeit der Nahrung erfasst und dem übrigen Körper und dem Gehirn weitergeleitet; dies geschieht via Immun-, Hormon- und Nervensystem. Das Gehirn braucht zur Erfüllung seiner geistigen Funktion Nährstoffe und biochemische Ausgangsprodukte in geeigneter Menge und Zusammensetzung.

In diesem Sinne ist es gut verständlich, dass Nahrungsaufnahme, Stoffwechsel und Gehirn-tätigkeit nicht als unabhängige Systeme verstanden werden können, sondern sich dauernd gegenseitig beeinflussen; bekannte Bespiele dafür sind die Schläfrigkeit nach einer Hauptmahlzeit und das flaue Gefühl im Bauch / Durchfall bei emotionalem „Stress“ wie Prüfungen oder Verliebtheit. Bei empfindlichen Menschen (mit weniger Kompensations-möglichkeiten des Stoffwechsels) wirkt sich die Beeinflussung des Gehirns nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern über verschiedene (nachfolgend erläuterte) Wege praktisch dauernd aus.

 

- Allergietheorie:

Der Verdauungstrakt verfügt über ein ausgedehntes Abwehrsystem, das über Nerven und Hormone mit dem Gehirn in Verbindung steht und das im ungünstigen Fall (z.B. Nahrungsmittel-Allergie) auf das Gehirn negativ einwirken kann. Zur Steuerung der komplexen Abläufe der Verdauungsfunktion besitzt der Darm etwa gleich viele Nervenzellen wie das Rückenmark; dabei werden z.T. die chemisch gleichen Botenstoffe zur Übertragung zwischen den Nervenzellen benutzt wie im Gehirn. Das Verdauungssystem „informiert“ das Gehirn dauernd über seine Abläufe, so dass auch (allergische) Störungen der Verdauungsabläufe die Gehirnfunktion negativ beeinflussen können.

 

- Exorphintheorie:

Bestimmte Nahrungsmittel enthalten in ihren Eiweissketten Bestandteile, die im Körper ähnlich wie Morphium wirken. Bei Menschen, deren Abbaufähigkeit dieser Substanzen vermindert ist, können sie ins Blut und damit auch ins Gehirn gelangen und dort eine Morphin-ähnliche Wirkung ausüben.

 

- Vergiftung des Körpers durch Abbauprodukte von Mikroorganismen im Darm oder Umweltgifte

Bei ungünstiger Zusammensetzung der Darmflora (z.B. Überwucherung durch Pilze) gelangt eine grosse Menge Stoffwechselprodukte dieser Mikroorganismen in den Blutkreislauf und beeinträchtigt gewisse wichtige Stoffwechselvorgänge des „Wirtes“.

Bestimmte Umweltgifte wie Blei oder Quecksilber beeinträchtigen die Hirnfunktion nachweislich. Empfindliche Menschen können unter Umständen bestimmte Giftstoffe weniger gut ausscheiden als „Normale“ und sind schon bei „normaler Belastung“ vergiftet.

 

- Unterversorgung des Gehirns und Blutzuckerschwankungen

Durch ein Ungleichgewicht oder einen Mangel von bestimmten Nahrungsbestandteilen (z.B. Vitamine, essentielle Fettsäuren) oder Schwankungen des Blutzuckerspiegels werden bestimmte Abläufe im Stoffwechsel des Nervensystems beeinträchtigt, so dass Funktionsstörungen entstehen.

 

Mit einer individuell angepassten Ernährung kann bei gewissen betroffenen Menschen durch Optimierung des Körper- und Hirnstoffwechsels das Verhalten und die „intellektuelle“ Leistungsfähigkeit verbessert werden. Häufig verschwinden zusätzlich auch körperliche Krankheiten wie z.B. Allergien, Hautausschläge, Infektionsanfälligkeiten etc.

 


Geschichtliches über Diät und Verhalten:

Was bereits Mitte des letzten Jahrhunderts durch einzelne Beobachtungen in USA seinen Anfang nahm, wurde mit den Studien von Dr. J. Feingold[1], der eine Verhaltensverbesserung der hyperaktiven Kinder durch eine Zusatzstoff-freie Nahrung feststellte, zu einer stärkeren Bewegung. In den 80-er Jahren folgte die Theorie der Phosphatdiät, in der die Apothekerin Hertha Hafer[2] hinter den Nahrungsmittel-Empfindlichkeiten bei überaktiven Kindern eine Phosphat-„Vergiftung“ vermutete, und durch das Weglassen der entsprechenden Nahrungsmittel auch deutliche Verhaltensverbesserungen erzielen konnte. Erst in den Studien von Dr. J. Egger[3] konnte mit der „oligoantigenen Diät“ erstmals auch wissenschaftlich die Wirksamkeit einer Eliminationsdiät bewiesen und seither wiederholt bestätigt werden.

 

 

Möglicher Ablauf der Ernährungsumstellung:

  1. Information der Eltern über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten
  2. Ernährungsberatung
  3. Umstellungsphase (Testdiät) mit engmaschiger Betreuung
  4. Anpassungsphase unter Berücksichtigung der individuellen Empfindlichkeiten und einer allgemein gesunden Ernährung mit Hilfe einer Fachperson

 

 

Allgemeine Empfehlungen zur Verbesserung  der Gehirnfunktion

-                                              Blutzuckerspiegel konstant halten

-                                              genug Wasser trinken

-                                              viel Früchte und Gemüse, häufig (fettigen) Fisch

-                                              schlechte Fette, Zucker, Kochsalz meiden; Kalorienzufuhr anpassen

-                                              häufig grünen oder schwarzen Tee,

-                                              Nüsse und Leinsamen

-                                              ev. Multivitamin-, Mineralstoff und Ergänzung mit Omega-3-Fettsäuren

 

 

 

 

Dr. med. Eveline Breidenstein, Eggstr. 15, 8907 Wettswil; eveline.breidenstein@bluewin.ch

Praxis: Affolternstr. 21., 8913 Ottenbach; Tel. 044 761 25 06

 

Mehr Informationen über die Zusammenhänge Ernährung und AD(H)S bei:

Gruppe für Nahrung und Gehirnfunktion

 

 

 



[1] Feingold B.F. (1975) Hyperkinesis and learning disabilities linked to artificial food flavours and colors. Am. J. Nurs.; 75: 797-803

[2] Hafer H. (Hrsg.) (1978) Nahrungsphosphat - die heimliche Droge. Kriminalistikverlag Heidelberg, 1. Auflage

[3] Egger J., Carter C.M., Graham P.J., Gumley D., Soothill J.F. (1985) Controlled trial of oligoantigenic treatment in the hyperactive syndrome; Lancet; 1: 540-545